Eine Wanderreise nach Mallorca im Jahre 2016
Mallorca. Das ist der weiße Strand von Can Castilla mit Unmassen von Sonnenhungrigen. Das ist der „Ballermann“ mit kaum bekleideten Mädchen, die mit ihrem Tanzen „aufheizen“ sollen. Das ist ausuferndes Sangria-Saufen junger Menschen, die „Spaß“ wollen – aus Eimern bis zum Abwinken …
Das Klischee ist überholt. Die Mädels tanzen nun in züchtigen Dirndln. Der Strand ist für Eimer und Komatrinker tabu… Beim Segeltörn – in sechs Tagen um die Insel – im Oktober vorigen Jahres konnte ich die sittliche Entwicklung bestätigen.
Das Segelabenteuer machte neugierig auf das Landesinnere. Auf die Serra Tramuntana mit ihren Gipfeln, Schluchten und verkarsteten Hochebenen, auf felsige Inseln und verträumte Buchten mit türkisfarbenem Wasser, auf das flache Land mit weidenden Schafen und Ziegen, mit blühenden Mandelbäumen, Olivenhainen und alten Mühlen. Dessen Flügel einst Don Quichote auf dem Festland erfolglos bekämpfte.
Denn der Törn bot nur abendliche Landgänge in Port Antratx, Port Soller, Port Pollenca, Portochristo, auf der Insel Cabrera und natürlich in Palma de Mallorca…
W. Drechsel, Chef der Schwedter Wanderer der SSV PCK 90, hatte sich eine anspruchsvolle Wanderreise auf Mallorca ausgedacht und ich durfte dabei sein.
Die Träume auszuleben, die beim wohligen Faulsein auf dem Deck des Katamarans mit ständigem Blick auf die Küste entstanden.
Vierundzwanzig unverdrossene Naturfreunde hatte er um sich geschart, die am 16. Februar in Tegel in den Flieger stiegen und Stunden später bei etwas milderen Temperaturen Quartier im Hotel „Morlans“ in Peguera nahmen.
Ich will es vorweg nehmen. Es wurde ein Riesenerlebnis – das Bekanntwerden mit der Insel auf „Schusters Rappen“. Die Drechselsche Organisation funktionierte reibungslos. Ohne die Insel zu kennen, führte er die Gruppe mit Hilfe des Rother Wanderführers sicher über „Stock und Stein“, durch Busch und Tal, durch Schluchten und auf Berge.
Wie früher mein Bergführer im dichten Nebel über den Gletscher.
In den drei Wochen mit nur wenigen Ruhetagen wurden 180 Kilometer im anspruchsvollen Gelände absolviert. Die 4000 Höhenmeter belegen das gebirgige Wanderumfeld. Nur ein Mal regnete es. Auf dem 1093 Meter hohen Puig d’Ofre lagen die Temperaturen nur knapp über Null, der felsige Gipfel war beschneit und rutschig.
Eine Enttäuschung darf nicht verschwiegen werden. Die Fähre zur Insel Dragonera fuhr nicht. Somit war es nicht vergönnt, diese einzigartige Insel zu erwandern und den steil aufragenden Gipfel Na Popia zu besteigen.
Eine leichte Tageswanderung zur Cala Monjo, der Mönchsbucht, war als Auftakt gut zum „Aufwärmen“ geeignet.
Bei mehreren Touren waren immer wieder traumhafte Aussichten auf die einzigartige Isla Dragonera möglich, die den Wunsch zum Betreten steigerten.
Das war so bei der anspruchsvollen Wanderung von Port Antratx über einen Höhenweg mit ständigen Blick auf das Meer und nachfolgenden Abstieg über felsige, steinige Wanderwege nach Sant Elm. Ebenso bei der Wanderung von Sant Elm über eine felsige, mit gewaltigen Steinblöcken bewehrte Barriere zur Klosterruine Sa Trapa. Auch das Ziel eines Marsches über die verkarstete Hochebene mit alten Fincas als Wegweiser erlaubte diesen Blick. Das Cap Fabioler auf der Steilküste hoch über dem Meer.
Interessante Ausblicke auf Meer, Steilküsten, verträumte Buchten, Leuchttürme und Torres (alte Wachtürme) ergaben sich bei den Wanderungen zum Cap Andritxol sowie zum Cap de Cala Figuera. Mit steinigen, manchmal halsbrecherischen Pfaden.
Ein riesiges Golf-Gelände verursachte kilometerlange Umwege.
Ein absoluter Höhepunkt war das Wandern an der Nordost-Spitze der Insel, auf der Halbinsel Formentor. Spannend der Aufstieg von der Nordseite auf einem alten Leuchtturmweg auf den Pass und Abstieg zur stillen Bucht Cala Murta. Wegen des heftigen Windes war der Aufstieg auf den Berg Fumat nicht ratsam. Die Weiterfahrt mit dem Auto über gewagte Serpentinen zum Leuchtturm auf dem Cap Formentor waren für Fahrer und Insassen mit heftigen Adrenalinstößen verbunden.
Ein weiterer Höhepunkt war die Wanderung auf den Hochebenen über Valdemossa, der Stadt mit dem Aushängeschild der prägenden Anwesenheit von F. Chopin und G. Sand. Ein außerordentlich beschwerlicher, steiler Aufstieg in der Waldzone wurde in der felsigen, baumlosen Hochebene verschönt durch einen moderaten steinigen Reitweg. Mit Ausblicken auf Meer, Steilküsten, an Hängen und am Meer liegende Orte, sogar Palma de Mallorca war von hier zu sehen. Kurzzeitige, dichte Nebelschwaden ängstigten und teilten die Gruppe in „Abkürzer“ und „Runder“.
Nachdem sich die Gruppe am 1. März um vier Wanderer verkleinert hatte, die Mietautos abgegeben waren wurden Wanderung im näheren Umfeld von Peguera absolviert.
Natürlich gab es auch Ruhetage, die individuell, im Allgemeinen in den Fahrteams verbracht wurden. Ziele waren dabei u.a. Portochristo mit den Drachenhöhlen, der Wochenmarkt in Sineu, Palma de Mallorca mit Kathedrale, Museum und Mole, die Salines im Süden und die Fahrt nach Soller mit dem „Roten Blitz“.
Voll des Lobes über die gelungenen Wanderwochen kam der Wunsch auf, in absehbarer Zeit Madeira, vielleicht auch Sardinien zu erwandern.
Manfred Lange, im April 2016